The science of sustainable seafood, explained

Status und Potenzial der europäischen Atlantikfischereien. Teil 1

 

Status und Potenzial der europäischen Atlantikfischereien. Teil 1

 

Dies ist der erste Teil einer 3-teiligen Serie von Artikeln über die europäischen Atlantikfischereien. Im ersten Teil untersuchen wir den Status und das Potential von Fischbeständen, die einer wissenschaftlichen Analyse des ICES Science Vorganges unterzogen wurden. Im ICES Vorgang verwenden Gruppen von Wissenschaftlern alle vorhandenen Daten um Abundanz und Potenzial eines Fischbestandes einzuschätzen – dies ist der beste Indikator den wir für die gesamte Gesundheit von Fischbeständen haben. Die Fischbestände in Teil 1 machen fast den ganzen Fang (>95%) des europäischen Atlantiks aus. Die vielen, sehr kleinen Fischbestände, die den Rest ausmachen, werden von ICES nicht evaluiert. Der zweite Teil wird Status und Potenzial mit einer statistischen Methode erforschen, die auch den Status der vielen, sehr kleinen Fischbestände berechnet.

Der Nordostatlantik ist eine der produktivsten Fischereiregionen der Welt und von dort stammen die meisten modernen Industriefischereien. Fangstatistiken dieses Gebietes sind von FAO als Region 27 erhältlich, das fast völlig mit den ICES statistischen Gebieten in Abb. 1 übereinstimmt.

Abb. 1. ICES Statistische Gebiete im Nordostatlantik.

Abb. 2 zeigt den Totalfang, der FAO gemeldet wurde, und der seit 1970 zwischen 9 und 13 Millionen Tonnen geschwankt hat. In 2000 begann ein ständiges Absinken zum heutigen Stand von ca. 8 Millionen Tonnen.

Totalfang von FAO für den Nordostatlantik

Abb.2 Totalfang für FAO Region 27, laut FAO catch data base.

174 einzelne Fischbestände wurden mit dem wissenschaftlichen ICES Vorgang bewertet, der im Allgemeinen die Fanggeschichte, Totalbestand, Brutbestand, Fischereimortalität und Rekrutierung ergibt. Diese Daten sind auch durch RAM Legacy Stock Assessment Database erhältlich.

Abb. 3 zeigt den Totalfang im Nordostatlantik wie er in den Bewertungen der TAM Legacy Database wiedergegeben ist. Von 1950 bis 1980 betrugen die von ICES bewerteten Fischbestände ungefähr die Hälfte des Totalfangs, der der FAO berichtet wurde, denn wenige ICES Bewertungen beginnen bei 1950. Seit 1980 betrugen die Bewertungen allerding 90% des Totalfangs im Nordostatlantik der der FAO berichtet wurde.

Abb.3. Totalfang von Bewertungen in der RAM Legacy Database für die nordostatlantischen Fischereien.

Durch den wissenschaftlichen Vorgangs von ICES haben wir eine gute Vorstellung über Trends und Status derjenigen Fischbestände, die den größten Anteil der Lebensmittelproduktion vom Nordostatlantik, basierend auf fast totaler Berichterstattung der Abundanz seit 1980, darstellen .

Ein Hauptmerkmal von Fischbeständen und Landungen im Nordostatlantik ist die Vielfalt in Größe und potenziellem Fang der Fischbestände. Obwohl es Landungsdaten für 465 Arten oder Taxa für Fische und Wirbellose in der FAO Fangdatei gibt, machen nur vier Arten (Hering, Kabeljau, Makrelen und Capelin) seit 1950 die Hälfte des historischen Fanges in Gewicht aus, 14 Arten 80%, und 50 Arten 95%. Die 174 Fischbestände bewertet von ICES (davon viele von derselben Art in verschiedenen Regionen) machen 90% des Potentialfangs aus.

Wir sehen das in der nächsten Abbildung, wo die Arten nach Fangausmass geordnet sind und der kumulative Gesamtprozentanteil des Fanges bis zu, und eingeschlossen, dieser Art gezeigt wird. Die größte Art, Atlantischer Hering, macht 20% des Gesamtfangs aus, addiert man den Atlantikkabeljau dazu, kommt das auf 30% des Gesamtfangs, und die ersten 20 Arten machen 85% des Totalfangs aus.

Abb. 4 Die Taxa sind nach Totalfang von 1950-2013 geordnet. Der Bruchteil des Totalfanges, das jedes einzelne Taxon und alle Taxa mit größeren Fanganteilen darstellen, wird gezeigt.

Bei jeder Analyse, die sich mit dem Potenzialertrag dieser Fischereien befasst, müssen wir klar sein, ob wir allen Beständen gleiches Gewicht geben oder die Wichtigkeit der größeren Bestände in Betracht nehmen. Wenn unsere Hauptanliegen Ertrag und Lebensmittelproduktion sind, müssen wir der Größe des Bestandes Gewicht geben.

Abundanztrends

Abb. 5 zeigt Abundanztrends für die bewerteten Bestände

Abb.5 Geschätzte Totalbiomasse von Beständen bewertet von ICES und korrigiert für Bestände für die keine Schätzung der Biomasse vorlag.

Die Totalabundanzschätzung sank von 110M t in den frühen 1950er Jahren auf ein Tief von 46M t in 1990 ab, ist aber bis 2014 auf 62M t gestiegen.

Warum sind also die Bestände gesunken und dann wieder angestiegen? Die Antwort ist recht einfach: die Belastung durch Fischereien war zu groß. Mit verbessertem Management wurde diese Belastung reduziert und die Abundanz steigt. Der Prozentsatz der totalen gefangenen Fischbiomasse stieg an von rund 10% in 1950 zu einem Durchschnitt von 25% von 1970 – 1995, ist aber seither zu etwas weniger als 15% abgesunken. (Abb. 6).

Abb. 6. Bruchteil der gefangenen Totalbiomasse

Ein zentrales Merkmal in den meisten nationalen und internationalen Gesetzgebungen ist das Konzept des höchstmöglichen nachhaltigen Dauerertrags (Maximum Sustainable Yield, MSY) weil MSY Management die Maximierung von langzeitigem Fang und Gesundheit des Fischbestandes zum Ziel hat. Jeder Fischbestand hat drei damit verbundene Quantitäten: MSY, Umsy und Bmsy. MSY ist das durchschnittliche Gewicht, das auf Langzeitbasis nachhaltig gefangen werden kann. Verbunden mit MSY ist die Fangrate, Umsy genannt. Umsy ist jener Bruchteil der gefangenen Population, die jedes Jahr MSY produziert. Drittens ist dann noch Bmsy, die durchschnittliche Biomasse eines Fischbestandes wenn dieser zu Umsy ausgebeutet würde. Für die meisten Bestände können wir MSY, Bmsy und Umsy einschätzen. Wenn man Umsy gegen Bmsy darstellt, bekommt man ein Kobi plot. Abb. 7.

Abb. 7. Bestandsabundanz und Fischereidruck relativ zu den Werten, die MSY erreichen würden.

In dieser Darstellung ist jeder Fischbestand ein Kreis. Die Größe des Kreises ist im Verhältnis zum MSY für den jeweiligen Bestand. Große Kreise zeigen große Bestände und kleine Kreise kleine Bestände an. Um den langzeitigen, nachhaltigen Ertrag zu maximieren, sollten die Bestände in der Nähe von 1 auf beiden Koordinaten sein, und zwar dort, wo sich die zwei orangen Linien kreuzen, die die Abbildung in vier Quadranten teilen.

Im Quadrant A, in grün, ist die Abundanz hoch und der Fischereidruck niedrig. Bestände in diesem Quadranten werden unterfischt, d.h., es gibt hier ein Potenzial für mehr Lebensmittel und Einkommen. Quadrant B (orange) zeigt niedrigen Fischereidruck aber auch niedrige Abundanz. Diese Bestände wurden wahrscheinlich überfischt und sind auf dem Weg zur Erholung dank des niedrigen Fischereidrucks. Quadrant C (rot) ist von größter Sorge, denn Abundanz ist niedrig und Fischereidruck ist hoch. Quadrant D (violett) zeigt Bestände, die noch immer über Bmsy liegen aber wo der Fischereidruck höher als MSY ist. Bestände in diesem Quadrant sind momentan in Ordnung, könnten aber Managementinterventionen rechtfertigen um sie näher zum Schnittpunkt von Umsy und Bmsy zu bringen. Im Allgemeinen wird man bei den Beständen über der orangen Horizontallinie den Fischereidruck reduzieren müssen um den Langzeitertrag zu maximieren, während die Bestände unter der orangen Horizontallinie höheren Fischereidruck brauchen werden um den Langzeitertrag zu maximieren.

Die Bestände in Quadranten B und C würden in Abundanz steigen, d.h., nach rechts rücken, wenn der Fischereidruck auf Umsy gesetzt wird (1 auf der Y Achse). Das schwarze Pluszeichen zeigt den Median B/Bmsy und U/Umsy an. Die Medianwerte, angezeichnet durch das große Pluszeichen, zeigt dass im Allgemeinen alles in Ordnung ist, dass aber viele Bestände niedrigeren Fischereidruck brauchen, und dass, wenn wir den Ertrag maximieren wollen, viele Bestände mehr Fischereidruck brauchen. Bestände im Quadranten B müssen wieder aufgebaut werden um ihr Potenzial zu erreichen, würden aber auch dann wieder aufbauen wenn der Druck auf Umsy erhöht würde. Schneller kann man sie wieder aufbauen wenn der Druck unter Bmsy bleibt.

Die Bewirtschaftung von Fischereien befasst sich hauptsächlich damit, die Fangrate zu kontrollieren. Im Allgemeinen versuchen die Manager die Fangraten auf oder nahe zu Umsy zu halten. Abb. 8 zeigt das Medianverhältnis zwischen U und Umsy. In 2010 ist das Verhältnis ziemlich nahe an 1. Der Wert 1 zeigt, dass die mediane Ausbeutungsrate MSY ergibt. Allerdings sind viele einzelne Bestände ziemlich weit über oder unter diesem Niveau. In dieser Abbildung, sowie in den nächsten, wird jedem Bestand der gleiche Wert zugeteilt, während in den vorigen Abbildungen, die sich mit totaler Biomasse beschäftigten, die größeren Bestände viel größeren Einfluss hatten.

Abb. 8. Median U/Umsy jährlich für Bestände, die in diesem Jahr gewertet wurden.

Wir sehen hier, dass von ungefähr 1970 bis 2000 die Medianmortalität 1.4 mal Umsy betrug (zu hoch für maximale Ausbeutung), dass aber anfangs 2000 die Mortalitätsrate absank, sodass sie sich jetzt nahe oder auf Umsy befindet. Die Reduzierung des Fischereidruckes, den wir in dieser Darstellung sehen, ist ziemlich stärker als die Reduzierung in Abb. 6, was davon abhängt, dass die wirklich großen Bestände des Nordostatlantiks, die Abb. 6 dominieren, nicht so sehr überfischt waren und daher nicht soviel Rückgang im Druck erlebten. Aber im Allgemeinen ist der Fischereidruck über alle bewerteten Bestände seit den mittleren 90iger Jahren um ungefähr 33% heruntergegangen.

Wenn man den Bmsy Anhaltspunkt nimmt, sieht man, dass Bestände bis ungefähr 2000 unter Bmsy gingen, dann anstiegen zur Wiederherstellung und dass sie sich jetzt allgemein etwas unter Bmsy befinden.

Abb. 9. Trend im Bestand der Biomasse relativ zu Bmsy

Potenzieller Ertrag

Was ist eigentlich das Potenzial dieser Fischereien mehr Fische zu fangen? Die Antwort ist einfach: man muss Bestände, die zu hart gefischt werden, weniger fischen, und Bestände, die leicht ausgebeutet werden, mehr fischen. Wir können für jeden Bestand errechnen wieviel Ertrag unter derzeitigem Fischereidruck erlangt wird, und auch um wieviel der Ertrag steigen würde für Bestände, auf die der Druck reduziert werden sollte, und andererseits den Anstieg des Ertrages von Beständen, die härter gefischt werden sollten.

Man bekommt eine Idee davon, wenn man die Größe der Bestände über und unter der orangen Horizontallinie in Abb. 7 vergleicht. Wir sehen da weit mehr große Bestände unter der Linie (Druck zu niedrig) als darüber. Abb. 10 zeigt wieviel Ertrag bei derzeitigem Fischereidruck erreicht werden könnte – fast genau 10 Millionen Tonnen, sowie die mögliche Ertragssteigerung, wenn die Bestände über der Linie weniger gefischt werden (0.7M t) , als auch die Ertragssteigerung, wenn man die Bestände unter der Linie härter fischt (2.9M t). Obwohl das Management den Fischereidruck auf Bestände über der Linie reduzieren kann und auch sollte, müsste man mehr Druck auf die weniger ausgebeuteten Bestände ausüben um den Ertrag zu maximieren, was dann mehr Arbeitsplätze schafft, mehr Ernährung von hoher Qualität anbietet, und Einkünfte steigert.

Laut Abb. 2 ist der aktuelle Fang nur ca. 8M t, obwohl wir schätzen, dass mit jetzigem Fischereidruck der Ertrag auf 10M t ansteigen wird. Unter derzeitigem Druck werden fast alle Bestände, die jetzt unter Bmsy sind, in Abundanz steigen und so wird dann der Fang auch steigen.

Abb. 11, ein Kobi plot, zeigt welcher Bruchteil des potenziellen Ertrags unter gegenwärtiger Mortalität erreicht wird. Dunkelgrüne Punkte erlangen über 90% des potentiellen Ertrages, und unterschiedliche Schattierungen zeigen abnehmenden Anteil des Potentialertrages an.

Um maximalen Ertrag zu erreichen, muss der Fischereidruck bei Beständen über 1.0 an der Y Achse reduziert werden, während man Bestände unter 1.0 stärker fischen sollte. Offensichtlich sollte beides geschehen und wir schätzen dass der Fang auf 13.6 Mt erhöht werden könnte.

Abb. 10. Langzeitiger Ertrag, der unter gegenwärtigem Fischereidruck erreicht werden kann, und wie er erhöht werden kann, wenn man die überfischten Bestände weniger und die unterfischten Bestände mehr fischt.
Abb. 11. Kobe plot mit Bruchteilen des potenziellen Ertrags unter gegenwärtiger Mortalität.
Abb 12. Die relative Bedeutung von verschiedenen Managementaktionen um maximalen, langzeitigen Ertrag von NO-Atlantik Fischereien zu erreichen.

Zum Schluss noch eine Warnung

Die Kalkulationen in Abb. 10 und 12 basieren auf zwei Schlüsselannahmen: 1. dass die Maximierung des Fanges von jedem Bestand das Ziel ist, und 2. dass jeder Bestand individuell gemanagt werden kann.

Beides ist unwahrscheinlich. Das Ziel vom Management ist oft ein Gemisch von Ertragsmaximierung, Senkung der Fischereikosten, verminderte Auswirkung auf die Ökosysteme, und ein Spektrum von sozialen Zielen. Manager und/oder die Gesellschaft können entscheiden, auf potenziellen Ertrag zugunsten anderer Zwecke zu verzichten, sodass man die Kalkulationen in Abb. 10 und 12 als “was ist wenn?” Fragen betrachten muss.

Viele Fischbestände werden in gemischten Fischereien gefangen, sodass es unmöglich ist, jeden einzelnen Bestand gezielt zur besten Ausbeutungsrate zu fangen. Das betrifft ganz besonders Demersalarten wie Kabeljau und Schellfische, wo mehrere Arten am selben Ort mit derselben Fangausrüstung gefangen werden. Es ist daher im allgemeinen nicht möglich, eine bestimmte Ausbeutungsrate für jeden einzelnen Bestand zu erreichen.

 

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